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Schulgeschichten 1936 - 1944

Von Prof. Dr. Werner Gallusser

1. Klassenlehrer Hans Glenck

Er war mein Primarlehrer (1936–40), streng aber gütig. Er lehrte uns lesen mit schönen Buchstaben–Bildern, schreiben mit Tafel und Griffel, später mit Redis– und To–Federn ins Heft und rechnen am grossen Zählrahmen. Laut im Chor lernten wir 47 Schüler (ich glaub, so viele waren wir in der Klasse): „6 mol 8 Chugele sinn 48 Chugele und 7 mol 8 Chugele sinn 56 Chugele“. Auf jeden Fall sass das Einmaleins (bis heute). War er zufrieden mit uns, so erzählte er uns am Freitagnachmittag vor dem Schulende eine Geschichte oder zündete im Advent ein kleines Tannenzweiglein an, so fein, dass man den Tannenduft schnuppern konnte, oder bei Glatteis durften wir mit ihm in den Schulhof, wo er mit uns ganz sportlich–vergnügt eine lange „Schlyffi“, d.h. eine lange Gleitbahn am Eis, antrieb. Und nie mehr vergesse ich unseren Gänztägigen auf die Blauenplatte im Frühling 1940, am Tag als es über dem Pruntruterzipfel zu Luftkämpfen zwischen deutschen und schweizerischen Militärflugzeugen gekommen war. Wir erfuhren davon und kehrten bedrückt nach Hause zurück. Wie würde es weitergehen?

2. Dr Bääsewirz

Das war Emil Wirz, der Abwart, welcher die Schüler zu Sauberkeit und Ordnung anhielt, im Schulhof oft mit dem grossen Besen unterwegs. Seine grosse Stunde kam jeweils, wenn man klassenweise ins Kellergeschoss zum Duschen ging, denn damals waren im Gundeldingerquartier spezielle Badezimmer eher selten und darum war eine minimale Körperpflege ein erzieherisches Muss. Nun also standen wir Buben fast nackt, nur mit einer langen weissen Schürze bedeckt, in Reihen unter den Duschen. Der Bääsewirz schöpfte jedem eine Kelle Seifenschaum in beide Hände, danach musste man sich damit einseifen und mit einem befreienden Geschrei heiss und kalt abduschen. Schliesslich trocknete man sich sorgfältig ab, kleidete sich wieder an und kehrte mit einem wohligen Gefühl der Reinlichkeit ins Klassenzimmer zurück.

3. Im Marschschritt

Noch hallt es mir in den Ohren nach, wenn ich mir vorstelle, wie die Primarklassen des Thiersteinerschulhauses jeweils nach der Pause in geschlossener 4er–Formation die Haupttreppe emporstampften, meist in einem aufdringlichen Rhythmus: 1 2 3 4– 1 2 3 4 ...! So richtig militärisch–kriegerisch, und zwar nicht aus Knabenlaune heraus, sondern von der Lehrerschaft zelebriert: oben am Hauptportal stand Lehrer Laubscher mit seiner selbst konstruierten Signalkelle. Jeweils durch eine Drehung erschien auf der Kelle die Klassenzahl 1a – 1b–2a...usw. Herr Laubscher hatte sichtliches Vergnügen am Funktionieren seines Instrumentes (wie an einer Spielzeugeisenbahn) und beförderte so die Schülerschar diszipliniert mit Marschdrill in ihre Klassenzimmer!

4. Roulez–tambours

Fritz Gerspach war unser Singlehrer an der Realschule, drahtig, präzise und begeisternd. So blühte der Weizen für seine Singeliten (zusammen mit Schülern des Wettsteinschulhauses), auch ich war dabei. Das Elitekonzert erforderte natürlich viel zusätzliche Probearbeiten, aber man sang mit Begeisterung und hörte damals auch am Radio volkstümliches Singen mit den Bambini Ticinesi oder den Chören von Abbé Bovet. Kann es da erstaunen, dass uns der Turnlehrer Edi Bienz in der Turnhalle “Marschieren in 4er–Kolonne“ befahl und uns dazu singen hiess: „Ich hatt’ einen Kameraden“ durch alle traurigen Strophen hindurch. Was wunder, wenn man dann auch „Roulez–tambours“ mit Inbrunst sang( denn französisch war wie unser General Guisan populär.) oder das „Vaterland hoch und schön“ lobpreiste und das Rütli „Von Ferne sei herzlich“ begrüsste. Uebrigens hatte das ganze Gundeldingerquartier akustisch etwas davon, wenn „Zwickerturi“ (Arthur Menzi, AM) im Thiersteli Französisch gab (am Anfang der Stunde beim Eintritt des Lehrers): Klasse: “Bonjour Monsieur!“–AM: „Asseyez–vous!“– Klasse: “Nous nous asseyons ! » AM:“Levez–vous!“–Klasse : » Nous nous levons ! » War AM besonders gut aufgelegt, so liess er die Sprechübung mit aufstehen und absitzen wiederholen und die Klasse schrie die französischen Sentenzen spitzbübisch laut in den Schulmorgen hinaus.

5. Vikare

Vor allem während der Realschule spürten wir im Unterricht, dass Weltkrieg herrschte: die Grenzbesetzung durch unsere Armee erforderte längere Abwesenheiten unserer Lehrer und deren Ersatz durch Vikare. Unvergessen das Auftauchen eines hohen Offiziers (in Uniform) in der Primarschule: Major Fritz Ernst (beliebter Primarlehrer und späterer Direktor von Radio Basel) besuchte seine Schüler und Kollegen während eines Urlaubs.Unsere vielen jungen und unerfahrenen Vikare hatten es nicht leicht; oft wurden sie von uns „geschellt“, d.h. auf dumm–dreiste Weise im Lehrstoff aufgehalten. Nur wenige bewährten sich durch eine überlegene Persönlichkeit, oft durch sportliche Robustheit oder durch ihren natürlichen Humor uns Jungen gegenüber.
 

6. Sirenen und Kanonen

Bekanntlich war auf dem Schulhausdach eine Luftschutz–Alarmsirene montiert worden. Wie die Heiliggeistkirche ihre Glocken hatte nun das Thiersteli seine laute Sirenenstimme. In der Schule gab es in der Kriegszeit einige Probealarm–Übungen, bei denen wir uns klassenweise in die Kellerräume begeben mussten. Zum Glück blieb es bei diesen Übungen. Hingegen wurde das Schulhaus einmal militärisch vorübergehend „besetzt“, als Basel noch verteidigt worden wäre. Dabei erinnere ich mich an die Soldaten mit den gelben Patten der Leichten Truppen: Camions, Autos, Motorräder, Geschütze und Anhängewagen verstellten den Schulhof und das Liesberger Mätteli. Im Schulhof produzierten sich zwei Soldaten auf ihrem Armeetöff mit allerhand Kunststücken und auf dem streng bewachten Liesberger Mätteli wurden uns gaffenden Schülern die modernsten Flugabwehrkanonen vorgeführt. Ich durfte sogar auf dem Kanoniersitz Platz nehmen und am gesicherten Schussauslöser hantieren. Ehrlich gesagt, genossen wir Schüler solche zusätzlichen Freitage, obschon sie direkt mit dem auswärtigen schrecklichen Kriegsgeschehen zusammenhingen.